Was hat es damit auf sich? | Bauernregeln haben ihren Ursprung bereits im Mittelalter (600 bis 1500 nach Chr.) und sind aus Beobachtungen nacheinander folgender natürlicher Umstände entstanden und wurden über Generationen in mündlicher Form weitergegeben. Bauernregeln versuchen, aus bestimmten Wetterlagen Vorhersagen und Rückschlüsse auf später kommende Ereignisse zu treffen, dies bezog auch tierisches Verhalten mit ein. Man bezeichnet sie umgangssprachlich auch als Wetterregeln.
Die meisten Bauernregeln befassen sich mit der mittelfristigen Wettervorhersage, zum Beispiel ausgehend vom Wetter oder anderen natürlichen Ereignissen an bestimmten Lostagen eines Monats oder dem Wetter eines ganzen Monats. Auch der Bezug auf Wetterboten ist weit verbreitet, also z.B. Wolken-, Pflanzen- und Tierbeobachtungen als Indiz für einen zukünftigen Wetterumschwung.
Abb.1: Ein mit Ochsen pflügender Bauer, Im Hintergrund Ernte und Transport des Getreides zur Mühle. Ceres (mythologische Figur) im Hintergrund war die antike römische Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit und galt als Gesetzgeberin.
Kirche & Lostage | Spätestens mit der weitestgehend abgeschlossen Christianisierung im Hochmittelalter (von 1050 bis 1250) bis zur frühen Neuzeit (von 1500 bis 1806) kam es zur Verdichtung der Erfahrungswerte unter Einbeziehung christlicher Heiligen und ihrer kirchlichen Gedenktage.
Die vielen unterschiedlichen alten Religionen und Glaubensrichtungen mit ihren heidnischen Göttern aus Zeiten der Antike (100 vor Chr. bis 300 nach Chr.) hatten ausgedient oder wurden verdrängt, sie gerieten endgültig in Vergessenheit.
Abb.2: Bauern bei der Feldarbeit, mittelalterlicher Holzschnitt, 16.Jhr.
Lostage (auch Lurtage, Rotelstage, Ratstage, Ratsnächte) sind im Bauernjahr bestimmte Tage, die nach altem Volksglauben für das Wetter der kommenden Wochen und damit für die Verrichtung verschiedener landwirtschaftlicher Arbeiten, wie etwa den Beginn der Aussaat oder den Ausgang der Ernte, bedeutsam waren. Die Bezeichnung und das Datum solcher Lostage orientiert sich am Heiligenkalender des Kirchenjahres. In dem Wort Lostag blieb die Bedeutung von „Los“ im Sinne von „Geschick“ erhalten.
Eine Bauernregel für den 12. bis 14. Mai bezieht sich auf die Eisheiligen und lautet: "Pankraz, Servaz, Bonifazi, drei frostige Lumpazi."
Kalender- & Liturgiereform | Zu den Eisheiligen, auch Gestrenge Herren, Eismänner oder Maifröste genannt, zählen mehrere Namenstage von christlichen Heiligen im Mai, an denen verschiedenen regionalen Bauernregeln zufolge, die letzten Frostnächte des Frühjahrs möglich sind. Die Namenstage beziehen sich auf den Julianischen Kalender (jK). Wegen der Kalenderreform von 1582 liegen diese Tage im heute gültigen Gregorianischen Kalender (gK) allerdings bis zu 10 Tage nach den Namenstagen.
„1970 wurde das Fest der Siebenschläfer auf den 27. Juli verschoben, also einen Monat später. Aber die Bauernregel gilt für den 27. Juni. Das ist immer das Problem bei den Bauernregeln, dass 1970 im Zuge der Liturgiereform auch der römische Gedenktagkalender, der Festkalender, verschoben worden ist. Da kam es zu erheblichen Zeitunterschieden. Zum Beispiel der Benedikt, der früher im März war, ist nun im Herbst.(...)" (Hartmann, 2019)
Abb.3: Die 7 Schläfer von Ephesus, Illumination in Weißenauer Passionale, um 1170
Tradition & Adaption | Der Legende nach wurden sieben junge Christen in der Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Decius (251 n.Chr.) in einer Höhle bei Ephesus eingemauert. 195 Jahre später, wurden die Sieben, am 27. Juni 446 n.Chr. schlafend entdeckt und befreit. Sie starben jedoch wenig später.
Die Legende der Sieben Schläfer wurde von der Kirche als traditioneller Heiligentag des Kirchenjahrs fest etabliert und adaptierte wahrscheinlich einen früheren heidnischen Feiertag, um die Zeit von Ende Juni bis Anfang Juli.
"Das Wetter am Siebenschläfertag noch sieben Wochen bleiben mag." oder auch diese ... "Regnet's am Siebenschläfertag, der Regen sieben Wochen nicht weichen mag.“
Der alte deutsche Monatsname Juni ist Brachet oder Brachmond, da in der Dreifelderwirtschaft des Mittelalters in diesem Monat die Bearbeitung der Brache (brach liegendes Feld, Land) begann. Der altdeutsche Name für Juli ist Heuet oder Heuert oder auch Heumonat genannt, da im Juli die erste Heumahd (das Mähen von Gras, das zu Heu getrocknet wird) eingebracht wurde. Am 21. Juni findet zudem die Sommersonnenwende, auch Sonnenwende oder Mittsommer genannt statt, es ist der astronomische Sommeranfang.
Zur Sommersonnenwende hat die Sonne die größte Mittagshöhe über dem Horizont. Auch die christliche Kirche beging die Sonnenwende, deutete diesen heidnischen Brauch aber um. Der 24. Juni ist das Hochfest der Geburt des Täufers Johannes und liegt damit ein halbes Jahr vor dem Fest der Geburt Jesu. Schon im späten Mittelalter wurden daher die Johannisfeuer aufgeschichtet, Gottesdienste und Feste um das Feuer gefeiert.
Beginn der Wettervorhersage | Ersichtlich wird, dass es viele Faktoren in der Geschichte gab, die die einst aufgestellten Bauernregeln heute ungültig machen bzw. aus dem Takt gebracht haben. Auch haben sich klimatische Bedingungen in den vergangenen Jahrhunderten, zumindest regional betrachtet, teilweise drastisch verändert. Wir haben heute leider kaum noch eine solch enge Bindung an die Natur, wie es einst unsere Vorfahren hatten. Für diese war es existentiell, also de facto überlebenswichtig, die Zeichen der Natur richtig zu deuten um den Umwelt und Wetterbedingungen zu trotzen.
Erhalten haben sich im Volksmund einige wenige Bauernregeln, die vor allem von Hobbygärtnern und Selbstversorgern gerne und dankbar angenommen werden.
Im Grunde sind die alten Bauernregeln (Wetterregeln) ein erster Versuch, und damit der eigentliche Beginn der Wettervorhersage, sie basieren aus wissenschaftlicher Sicht in erster Linie auf regelmäßig wiederkehrenden Wetterphänomenen, auf der sogenannten Singularität und haben damit oft einen wahren Kern.
Abb.4: Albertus Magnus (geb. um 1200 - gest. 1280), Fresko (1352) in Treviso, Italien
Erste schriftliche Aufzeichnungen | Vor 1280 schrieb und berichtete der deutsche Gelehrte und Bischof Albertus Magnus in seinem lateinischen Werk "Über die Beschaffenheit des Windes" erstmals über Bauernregeln. Um 1505 erscheint in Augsburg von Leonhard Reynmann ein "Wetterbüchlein", dieses ist die erste Bauernregelsammlung in deutscher Sprache. Die erste "Bauernpraktik", ein astrologischer Haus- und Wetterkalender, erschien 1508 in Augsburg.
Wissenschaftsgebiet Meteorologie | Anno 1660 erkannte Otto von Guerike den Zusammenhang zwischen einem aufziehenden Unwetter und dem Abfallen des Luftdruckes. Im 17. und 18. Jahrhundert (Zeitalter der Aufklärung) verbesserten viele weitere Naturforscher, z. B. Blaise Pascal, Isaac Newton, Anders Celsius, Daniel Gabriel Fahrenheit und Benjamin Franklin, das Verständnis für Zusammenhänge zwischen lokalen und kontinentalen Wettererscheinungen.
Der erste Wetterbericht in einer Zeitung, einem Londoner Wochenblatt, wurde am 14.05.1692 veröffentlicht, dabei handelte es sich um das Wetter vom letzten Jahr. Um 1900 entstanden die ersten nationalen Wetterdienste. Die Wetterbeobachtung lieferte die Grundlagen der meteorologischen Zusammenhänge und mündete in der Neuzeit im Wissenschaftsgebiet der Meteorologie. Diese ist die Lehre der physikalischen und chemischen Vorgänge in der Atmosphäre und beinhaltet auch deren bekannteste Anwendungsgebiete, die Wettervorhersage und die Klimatologie.
"Für mich steht fest, dass die damals aufgestellten und gültigen Bauernregeln zu unserem kulturhistorischen geschichtlichen Erbe gehören und nicht ins Reich der Mythen und Märchen verbannt werden sollten."
Mit dem rasanten und stetigen technologischen Fortschritt bis in unsere Zeit, entfernen wir uns leider immer mehr von dem Gespür zur Natur und ihren Phänomenen, da hatten unsere Ahnen wohl ein innigeres Verständnis und Verhältnis zu ihrer Umwelt.
Literaturverzeichnis:
Abb.1: Aus Giovanni Boccaccio´s "De claris mulieribus" (dt. Übersetzung aus dem Lateinischen, „Von berühmten Frauen“ ,dt. Erstauflage"Von den synnrychen erluchten wyben" von H.Steinhöwel), gedruckt in Ulm von Johann Zainer, 1473
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ib00716000/0020 (abgerufen am 02.03.2022)
Abb.2: Bauern bei der Feldarbeit, (2018, 21. März) Inklusion im Internet: Berufe im Mittelalter.erstellt v.: J.Sachers. https://blog.histofakt.de/?p=2755 (abgerufen 03.03.2022)
Hartmann, G. (2019, 07. Mai). Inklusion im Internet: Das Wetter und die Heiligen. erstellt von: Der SONNTAG / Stefan Hauser. https://www.erzdioezese-wien.at/site/home/nachrichten/article/74028.html (abgerufen am 02.03.2022)
Liturgiereform von 1970, verlegte Heiligenfeste:
http://www.kathpedia.com/index.php/Verlegte_Heiligenfeste_der_Liturgiereform_1970
(abgerufen am 02.03.2022)
Abb.3: Beginn der Passio septem dormientium (Sieben Schläfer von Ephesos); aus dem Weißenauer Passionale um 1170; Fondation Bodmer, Coligny; Cod. Bodmer 127, fol. 125v, Gemeinfrei, http://www.e-codices.unifr.ch/de/doubleview/fmb/cb-0127/125v (abgerufen am 02.03.2022)
Abb.4: Albertus Magnus, Gemeinfrei, https://de.wikipedia.org/wiki/Albertus_Magnus#/medi/Datei:Tommaso_da_modena,_ritratti_di_domenicani_(vescovo)_1352_150cm,_treviso,_ex_convento_di_san_niccol%C3%B2,_sala_del_capitolo.jpg (abgerufen am 03.03.2022)
Empfehlungen:
Bauern im Mittelalter
https://www.leben-im-mittelalter.net/alltag-im-mittelalter/arbeit-und-berufe/bauern.html
Kuriose Feiertage
https://www.kuriose-feiertage.de/siebenschlaefertag/
Liste der Germanisch-Neuheidnischen Feiertage
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Germanisch-Neuheidnischen_Feiertage
Sommersonnenwende - Darum feiern wir den längsten Tag des Jahres
https://rp-online.de/panorama/deutschland/sommersonnenwende-darum-feiern-wir-den-laengsten-tag-des-jahres_aid-23521847
Germanische Schicksalsvorstellung
https://de.wikipedia.org/wiki/Germanische_Schicksalsvorstellungen
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